Haushaltsrede 2022

Veröffentlicht am 19.12.2021 in Stadtratsfraktion
SPD Fraktion im Gemeinderat Breisach

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, sehr geehrter Herr Beigeordneter, liebe Kolleginnen und Kollegen des Gemeinderats, liebe Bürgerinnen und Bürger,
es ist ein schlimmes Deja-vu, das wir derzeit erleben. Unverändert hätten wir die Eingangssätze unserer Haushaltsrede aus dem vergangenen Jahr übernehmen können, in der wir auf die hohe Zahl der sich täglich neu mit dem Corona-Virus infizierenden Menschen, auf Hunderte von Tag für Tag zu vermeldenden Todesopfern und die auf Weihnachten drohende Überlastung der Intensivstationen hingewiesen haben. Objektiv betrachtet stellt sich die Situation aktuell sogar noch dramatischer dar als vor einem Jahr.
Trotz der allgegenwärtigen Bedrohung durch die Pandemie wurde im vergangenen Jahr aber gute Arbeit geleistet für und in der Stadt und es ist wichtig und letztlich auch ein Zeichen der Hoffnung, dass man konzentriert den Blick auf die Aufgaben wirft, die in der nächsten Zeit auf die Stadt Breisach zukommen werden.

Eine der zentralen Vorhaben im kommenden Jahr wird sicherlich die Entwicklung des Baugebietes Vogesenstraße III sein. Für die SPD-Fraktion untrennbar verbunden ist mit diesem Projekt die Frage, wie es uns gelingen wird, den dringend benötigten bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Die SPD-Fraktion vertritt die Auffassung, dass bezahlbarer Wohnraum ein soziales Grundrecht darstellt. Verwaltung und Gemeinderat müssen deswegen alle Anstrengungen unternehmen, um bei dem für unsere Stadt sehr bedeutenden Baugebiet dieser zentralen sozialen Frage unserer Zeit gerecht werden zu können.
Dabei ist es mit Lippenbekenntnissen nicht getan. Auf klare Festlegungen zum Anteil der mietpreisgebundenen Wohnungen, zu Bindungsfristen und zum Anteil der öffentlich geförderten Mietwohnungen kann unserer Auffassung nach nicht verzichtet werden. Die Akteure, die tatsächlich für bezahlbaren Wohnraum stehen, müssen konsequent mit ins Boot genommen werden.
Leider ist der Anteil der Fläche im Baugebiet Vogesenstraße III, der der Stadt gehört, nicht so groß, als dass der Grundsatz „Wer den Boden hat, entscheidet, was darauf gebaut wird.“ im eigentlich erforderlichen Rahmen zum Tragen kommen könnte. Umso wichtiger wird es sein, alle anderen Möglichkeiten konsequent zu prüfen, um einen akzeptablen Kompromiss zu finden zwischen dem überaus anspruchsvollen städtebaulichen Konzept und der Notwendigkeit bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Weil diese Materie ungeheuer komplex ist, möchte die SPD-Fraktion die Verwaltung darum bitten, den Gemeinderat im Vorfeld der Entscheidungsfindung im Rahmen einer Sondersitzung über Möglichkeiten und Grenzen zu informieren. Die auf Jahrzehnte hinaus sicherlich bedeutendste städtebauliche Maßnahme Vogesenstraße III hat diesen Aufwand sicherlich verdient.
Die Entwicklung des neuen Baugebietes in der Vogesenstraße III rückt auch die Frage nach der kommunalen Infrastruktur in den Blick. Erfreut haben wir zur Kenntnis genommen, dass mit der Vergabe der Architekten- und Ingenieursleistungen der Startschuss in die konkrete Weiterentwicklung unseres Schulzentrums gegeben wurde. Ein Ende der unsäglichen Containerlösungen bahnt sich damit an. Wir möchten aber auch mahnend anmerken, dass man bezüglich der Schulbauentwicklung schon deutlich hinter dem ursprünglich ins Auge gefassten Zeithorizont liegt. Gerade die ohnehin langfristig angelegte Weiterentwicklung der Julius-Leber-Schule muss deswegen unbedingt zeitnah gestartet werden. Auch im Bereich der Kitas besteht ein großer Handlungsbedarf. Hier nehmen wir positiv zur Kenntnis, dass die Verwaltung mit den Waldkindergärten, mit dem im nächsten Jahr startenden Neubau des Kindergartens Vauban und dem geplanten Kindergarten auf dem Gelände des Baugebiets Vogesenstraße III doch sehr eindrücklich dokumentiert, dass sie sich der Notwendigkeit dieser Investitionen bewusst ist. Trotzdem wird es auch in Zukunft sicherlich immer wieder darum gehen, die Infrastruktur den tatsächlichen Erfordernissen vorausschauend anzupassen. Im Bereich der vorschulischen Kindererziehung halten wir es deswegen auch für unerlässlich, zeitnah zu einer Vereinheitlichung der Anmeldungssoftware zu kommen. Dieses wichtige Steuerungsinstrument mit der erforderlichen Kompatibilität zwischen den städtischen und konfessionell getragenen Kitas muss zeitnah zur Verfügung gestellt werden.

Weitere schon seit Jahren im Fokus stehende Themen werden uns auch im kommenden Jahr beschäftigen. Bezüglich des Neubaus der B31 West stehen wir aktuell an einem Wendepunkt. Wir als SPD-Fraktion sehen uns in unserer Einschätzung vom Dezember 2019 bestätigt. Schon vor zwei Jahren haben wir uns in aller Entschiedenheit gegen die nun als Vorzugsvariante gewählte Trasse ausgesprochen, die sowohl Gündlingen als auch Hochstetten über Gebühr belasten würde. Und vor zwei Jahren haben wir auch die Notwendigkeit der B 31 West grundsätzlich in Frage gestellt, weil die Planungen dazu aus einer Zeit stammen, in der in Deutschland Autos und Straßen für die Politik noch das Maß aller Dinge waren. Die SPD-Fraktion begrüßt es deswegen außerordentlich, dass sich inzwischen eine deutliche Mehrheit im Breisacher Gemeinderat kritisch zum Bau der B31 West positioniert hat. Eine kurzfristige Überarbeitung des Bundesverkehrswegeplans ist rechtlich unproblematisch möglich. Da der Bund die Finanzierung der im Bundesverkehrswegeplan aufgelisteten Projekte verantwortet, ist es ihm möglich, diese bis zuletzt und damit unabhängig vom Planungsstand zu stoppen. Der Regierungswechsel in Berlin eröffnet unserer Meinung nach die Chance, dass dies ein durchaus realistisches Ausstiegsszenario sein könnte.
Unverändert ist unsere Position auch bezüglich der Erweiterungspläne des Rimsinger Baggersees. Der Grundsatz „Tiefe vor Fläche“ muss unserer Auffassung nach oberstes Ziel der im kommenden Jahr anstehenden weiteren Planungen sein. Wir nehmen positiv zur Kenntnis, dass jetzt wesentliche von unserer Fraktion aufgeführten Argumente, mit der wir den Planfeststellungsbeschluss im letzten Jahr abgelehnt haben, in den Fokus der Planer rücken. So wird das Fortbestehen des Kiesabbauunternehmens auch ohne die Vernichtung großer Waldflächen langfristig ermöglicht. Diese Entwicklung begrüßen wir sehr.
Verhalten positiv kann man wohl auch die Entwicklung an der Helios-Rosmann-Klinik bewerten. Helios hat bezüglich der eingeforderten Notfallversorgung Wort gehalten. Mit dem neuen Ärztlichen Direktor Norman Schatz wurde ein Nachfolger gefunden, der durch seine enge Verbundenheit mit der Stadt Breisach und der Helios Rosmann Klinik eine Gallionsfigur darstellt, die, getragen von der in Breisach vorhandenen breiten gesellschaftlichen Unterstützung, die Klinik in eine sichere und erfolgreiche Zukunft führen könnte. Mit Sorge hat die SPD-Fraktion die jüngsten Äußerungen des Präsidenten der Europäischen Gebietskörperschaft Elsass, Frederic Bierry, zur Kenntnis genommen, der, als Reaktion auf eine tendenziell atomenergiefreundliche Rede von Präsident Macron, Fessenheim als Standort für einen neuen Atomreaktor ins Gespräch gebracht hat. Dadurch fühlte sich auch Fessenheims Bürgermeister Claude Brender ermutigt, zu kommunizieren, dass er weiter auf Atomkraft setze. Auch die Überlegungen, auf dem Gelände ein so genanntes Technocentre entstehen zu lassen, auf dem radioaktive Anlagenteile aus dem Rückbau von Kernkraftwerken verwertet werden sollen, müssen mit kritischer Aufmerksamkeit weiter beobachtet werden. Letztendlich torpedieren solche Überlegungen die vielfältigen Bemühungen, in Fessenheim ein grenzübergreifenden Vorzeigeprojekt mit vielfältigen Initiativen zur nachhaltigen Energiegewinnung entstehen zu lassen. Sie sind damit kontraproduktiv für die wirtschaftliche Neuaufstellung der Region. Hier unterstützen wir voll und ganz die bisherige klare Positionierung der Bundes- und Landesregierung, des Regierungspräsidiums und der Stadt Breisach und die deutlichen Aussagen unseres Bürgermeisters.
Erfreulicherweise scheint demgegenüber der Ausbau der Bahnstrecke von Breisach nach Colmar in greifbare Nähe gerückt. Die SPD-Fraktion hofft, dass sich die unlängst von Bürgermeister Rein kommunizierte Prognose, dass bereits im Jahr 2030 die ersten Züge wieder über den Rhein rollen könnten, auch wirklich bestätigt. Dass die Stadt Breisach von einer solchen Entwicklung erheblich profitieren könnte, steht außer Frage, auch wenn dann die südliche Stadteinfahrt ein völlig neues Gesicht bekommen müsste.

Abschließend möchte die SPD-Fraktion anmerken, dass man im kommenden Jahr in Absprache mit anderen Fraktionen des Gemeinderats einen neuen Anlauf unternehmen möchte, eine Mehrheit für den Antrag zu finden, Breisach zur örtlichen Verkehrsbehörde zu erklären. Die vielfältigen Herausforderungen, die im gesamten Breisacher Stadtgebiet im Bereich des Verkehrs aktuell und zukünftig zu lösen sein werden, könnten nach unserer Auffassung deutlich schneller und effektiver als örtliche Verkehrsbehörde angegangen werden. Der in diesem Jahr durchgesetzte und auch bei großem Wohlwollen nicht nachvollziehbare Tempo-Flickenteppich in unseren Ortsteilen ist nur ein Beweis dafür, dass vor Ort und in detaillierter Kenntnis der alltäglichen lokalen Gegebenheiten sehr oft die besseren Entscheidungen getroffen werden könnten.
Am Ende unserer Ausführungen und am Ende eines schwierigen Jahres 2021 steht ein großes Dankeschön an alle gesellschaftlichen Gruppen, die sich unter ganz besonderen Bedingungen seit nun fast zwei Jahren teilweise bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit für die Stadt und ihre Bewohnerinnen und Bewohner eingesetzt haben. Man kann nur hoffen, dass sie in diesem Engagement auch in den nächsten Monaten, in denen die Pandemie mit Sicherheit unser gesellschaftliches Leben noch weiter bestimmen wird, nicht nachlassen. Ein besonderes Dankeschön auch allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt Breisach, insbesondere auch an Herrn Bürgermeister Rein, der unsere Stadt jetzt schon durch das zweite Krisenjahr in souveräner und aufbauender Art und Weise geführt hat.
Allen Mitbürgerinnen und Mitbürgern wünschen wir ein besinnliches Weihnachtsfest, auch wenn die Feiertage wieder nicht so aussehen werden, wie man das aus den Zeiten vor der Pandemie gewöhnt war. Lassen wir uns aber von diesen Gegebenheiten nicht entmutigen, sondern nutzen wir die kurze Zeit der Ruhe und Besinnung, um mit neuer Kraft und Zuversicht das Jahr 2022 in Angriff zu nehmen.
Dem Haushalt für das Jahr 2022, dem Wirtschaftsplan des städtischen Wasserwerks, der Stadtbau Breisach sowie dem des Spitalfonds Breisach stimmt die SPD-Fraktion zu.
Bleiben Sie gesund!

Für die SPD-Fraktion im Gemeinderat
Frank Kreutner Fraktionsvorsitzender